Am 21. Juni treffen sich die Staats- und Regierungschef der EU, um gleichsam im Schatten des G8-Gipfels die EU-Verfassung wiederzubeleben. Mehr Demokratie e.V. hat 23 Kritik-Punkte vorgelegt, die überzeugend darstellen, dass es hier um Machtanspruch von Brüssel gegenüber den EU-Ländern geht und dass dieses Mammutwerk mit Demokratie nicht mehr viel zu tun hat.
Auszüge aus den 23 Kritik-Punkten:
# Das Zustande-Kommen des Verfassungsentwurfs:
Die Mitglieder des Verfassungskonvents, die den Entwurf der EU-Verfassung erarbeiteten, wurden von den EU-Länder-Gremien delegiert, durchweg EU-gläubige Politiker. Die bürgerliche Zivilgesellschaft war in diesen Prozess praktisch nicht eingebunden. Laut Präambel ist die Verfassung "im Namen der Bürgerinnen und Bürger" entstanden und das sah so aus: 50 handverlesene Bürger durften sich das fast 500-seitige Papier lediglich einige Minuten anschauen!
Nach dem Verfassungskonvent wurde der Entwurf unterzeichnet. Nicht alle Teilnehmer haben ihn jedoch unterzeichnet. Welche Vertreter welcher Länder nicht unterzeichnet haben ist aber nicht einzusehen. Die Liste bleibt geheim. Zu diesem ganzen Prozess sagte Jean-Claude Juncker, Premierminister von Luxemburg, und ein glühender EU-Verfechter:
„Ich habe noch nie einen derart Untransparenz, eine völlig undurchsichtige, sich dem demokratischen Wettbewerb der Ideen entziehende Veranstaltung erlebt. Der Verfassungs - Konvent ist angekündigt worden als die große Demokratie – Show – ich habe noch keine dunklere Dunkelkammer gesehen als diesen Konvent.“ (Spiegel, 16.06.2003)
Die EU-Gewaltherrschaft
# Die Todesstrafe ist in dem Verfassungsentwurf legitimiert (Schlussakte, Erklärung 12, Art.2, S.434 )
"3.b) Ein Staat kann in seinem Recht die Todesstrafe für Taten vorsehen, die in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden."
# Die Kriegsführung obliegt nach Art. I–41, S. 37 allein dem EU-Ministerrat.Weder die vom Volk direkt gewählten EU-Parlamentarier noch der Europäische Gerichtshof haben eine Kontrolle über den Einsatz von Truppen bzw. über die Außen- und Sicherheitspolitik. [url=http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2004/c_310/c_31020041216de00550185.pdfIn Art. III–376. S. 169[/url] heißt es wörtlich:
"Der Gerichtshof der Europäischen Union ist nicht zuständig im Bereich der Artikel I-40 und I‑41, im Bereich des Titels V Kapitel II über die Gemeinsame Außen‑ und Sicherheitspolitik."
# Aufrüstung wird den EU-Mitgliedstaaten von dem Verfassungsentwurf verpflichtend ins Heft geschrieben (Art. I–41, S. 37):
"Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern."
# Tötungen wären nach dem Verfassungsentwurf in Heiligendamm zulässig gewesen; nämlich dann, wenn „sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen.“ (Schlussakte, Erklärung 12, Art.2, S.434 )
Aufhebung der Gewaltenteilung
Diese Beispiele, von denen es noch mehrere gibt, zeigen, dass weder eine demokratisch legitimierte Grundlage der EU-Verfassung im Sinne einer Verfassung von "unten" angestrebt ist oder umgesetzt werden wird, noch die Inhalte dieser Verfassung auf einer demokratischen Grundlage fußen. Das Gegenteil ist der Fall.
Die Gewaltenteilung, also die Aufteilung der Staatsgewalt in Parlament, Regierung und Rechtsprechung zur Begrenzung der Macht und zur Sicherung von Freiheit und Gleichheit für alle Bürger ist aufgehoben!
Sie ist eine Errungenschaft aus der Zeit absolutistischen Herrscher der 18. Jahrhunderts und heute eine der Grundsäulen jeder Demokratie.
Aus diesem Grund muss man annehmen, dass es keine Dummheit, sondern kaltblütige und machtpolitische Herrschaftssüchtigkeit ist, wenn Jürgen Lammert, Präsident des Deutschen Bundestags - also nach dem Bundespräsidenten der zweithöchste Staatsbeamte in der BRD - in der Welt am Sonntag sagt:
„Es [ist] nicht wirklich überzeugend, im Kontext des klassischen Nationalstaats entwickelte Prinzipien wie den Grundsatz der Gewaltenteilung ohne Weiteres auf ein supranationales Gebilde wie die Europäische Union zu übertragen,...“
Man kann nur hoffen, dass sich Menschen wie der frühere Bundespräsident und Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Prof. Roman Herzog, lautstark zu Wort melden. Jener hat den ersten europäischen Konvent geleitet, welcher die Charta der Grundrechte der EU erarbeitet hat und er hat ebenfalls in der Welt am Sonntag vom 14.01.2007 nicht nur gesagt:
„Es stellt sich die Frage, ob man die Bundesrepublik Deutschland noch uneingeschränkt als eine parlamentarische Demokratie bezeichnen kann."
sondern er rät auch ganz lapidar: